Sonnenfinsternis in der Wernigeröder Altstadt

In Wernigerode wird Nachhaltigkeit großgeschrieben. Die Stadt ist Fair-Trade-Town, Mitglied im Klimabündnis, hat ein integriertes Klimaschutzkonzept und sogar einen eigenen Klimafonds. Und während städtische Mitarbeitende sich mit spürbarem Engagement dem Klimaschutz widmen, wächst auch die Zahl privater Solaranlagen – vom Balkonkraftwerk bis zur Großanlage.


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Doch ausgerechnet dort, wo die Stadt am schönsten ist, herrscht klimapolitisch Stillstand: in der denkmalgeschützten Altstadt. Denn wer dort eine Solaranlage installieren möchte, hat Pech. Die Gestaltungsrichtlinien, die sich auf eine Altstadtsatzung aus den 1990er Jahren stützen, verbieten bis heute sichtbar angebrachte Solarpaneele.

Zwar hat der Stadtrat 2022 den entsprechenden Paragraphen reformiert. Seither sind Solaranlagen im Geltungsbereich der Altstadtsatzung grundsätzlich zulässig. Doch passiert ist seither – nichts. Historische Gebäude bleiben energetisch im Dornröschenschlaf, die Solardächer fehlen.

Der Grund: Teile der Denkmalpflege verweigern sich der demokratisch beschlossenen Änderung. Mit zähen Auslegungsverfahren blockieren sie seit Jahren die Umsetzung. Jetzt geht das städtische Bauamt sogar noch weiter – und plant, die 2022 beschlossene Öffnung der Satzung faktisch wieder zurückzunehmen. Solaranlagen sollen nur noch erlaubt sein, wenn sie von öffentlichen Flächen nicht sichtbar sind. Sichtschutz statt Klimaschutz – das ist die neue Devise.

Besonders kurios wird es bei Gebäuden, die von der Schlossterrasse aus einsehbar sind: Dort will der Denkmalschutz künftig sogar die Farbgestaltung der Module mitbestimmen.

Dabei gibt es längst einen Runderlass des Landes Sachsen-Anhalt (Download), der Solaranlagen in denkmalgeschützten Bereichen ausdrücklich zulässt – auch dann, wenn sie das Erscheinungsbild eines Gebäudes erheblich verändern. Rechtlich dürften hinter der geplanten Satzungsverschärfung also einige Fragezeichen stehen.

Es liegt jetzt am Stadtrat, die Blockade zu beenden. Wer den Klimaschutz in Wernigerode ernst nimmt, muss verhindern, dass eine Handvoll Denkmalhüter die Umsetzung demokratischer Beschlüsse aushebelt.

Denn historische Bausubstanz und moderne Energiegewinnung schließen sich nicht aus – wenn der politische Wille da ist.