Abwasserverband: Kommt die Grundgebühr?
Im Abwasserzweckverband wird derzeit intensiv darüber verhandelt, wie die Schmutzwassergebühren in den kommenden Jahren ausgestaltet werden sollen. Es geht um viel Geld, um Verteilungsgerechtigkeit – und um die Frage, ob ein reines Mengenpreissystem noch zeitgemäß ist. Der Vorsitzende der Fraktion Bündnis für Wernigerode/FDP (BfW/FDP), Thomas Schatz, ordnet die Debatte ein.
Die Ausgangslage ist klar: Die Abwasserbeseitigung verursacht erhebliche Kosten. Rund 16 Millionen Euro müssen im Verbandsgebiet jedes Jahr aufgebracht werden, um ca. 2,65 mio. Kubikmeter Schmutzwasser zu beseitigen. Etwa 4 Millionen Euro davon sind reine Fixkosten für die Abwasserinfrastruktur – Reparaturen, Sanierungen, der Erhalt von Kläranlagen und Kanalnetz. Viele dieser Anlagen sind inzwischen über 30 Jahre alt und haben einen entsprechend hohen Erneuerungsbedarf.
Warum überhaupt eine Grundgebühr?
Trotzdem gilt bislang ein reines Verbrauchsmodell: Bezahlt wird ausschließlich pro eingeleitetem Kubikmeter Schmutzwasser. Wer wenig einleitet, zahlt wenig, wer viel einleitet, entsprechend mehr. Was auf den ersten Blick fair wirkt, blendet den strukturellen Hintergrund aus: Die Fixkosten fallen unabhängig vom Verbrauch an.
„Auch wer nur 25 Kubikmeter im Jahr einleitet, nutzt denselben Kanalanschluss und dieselben Kläranlagen wie ein Haushalt mit 200 Kubikmetern“, sagt Thomas Schatz. Die Infrastruktur steht für alle bereit – rund um die Uhr und unabhängig von der individuellen Nutzung. Genau hier beginnt die Debatte über die Grundgebühr.
Befürworter verweisen auf mehrere Punkte:
- Fixkostenabbildung: Die Grundgebühr bildet die unvermeidlichen Grundlasten des Systems realistischer ab.
- Verteilungsgerechtigkeit: Auch Haushalte mit sehr geringer Einleitung tragen angemessen zum Erhalt des Netzes bei.
- Systemstabilität: Ein Teil der Kosten wird unabhängig vom Verbrauch dauerhaft gesichert.
Eine Grundgebühr ist jedoch kein Freibrief. Ihre Höhe muss sozial vertretbar sein und darf Haushalte mit geringem Verbrauch nicht übermäßig belasten. Die Frage ist daher nicht ob, sondern wie eine solche Gebühr gestaltet werden sollte.
Drei Modelle im Vergleich
Nach der Einordnung der Grundsatzfrage lohnt der Blick auf drei der Modelle, die derzeit in der Verbandsversammlung zur Diskussion stehen. Zur besseren Vergleichbarkeit wird jeweils ein typischer Niedrigverbrauch (25 m³) und ein hoher Verbrauch (200 m³) betrachtet.
Modell 1: 11 Euro Grundgebühr
Ein erstes Modell, entwickelt von der Verbandsverwaltung, sah eine Grundgebühr von 11 Euro pro Monat vor. Der Arbeitspreis sollte – wie bisher – bei 3,22 Euro pro Kubikmeter bleiben.
Beispiel 1: Haushalt mit 25 m³/Jahr
- Bisherige Kosten:
25 m³ × 3,22 € = 80,50 € - Künftige Kosten laut Modell 1:
Arbeitspreis: 25 × 3,22 € = 80,50 €
Grundgebühr: 12 × 11 € = 132 €
Gesamt: 212,50 € - Effektiver Kubikmeterpreis:
212,50 € ÷ 25 = 8,50 €/m³
Das entspräche einer Kostensteigerung von 164 Prozent.
Beispiel 2: Haushalt mit 200 m³/Jahr
- Bisherige Kosten:
200 × 3,22 € = 644 € - Künftige Kosten laut Modell 1:
Arbeitspreis: 200 × 3,22 € = 644 €
Grundgebühr: 132 €
Gesamt: 776 € - Effektiver Kubikmeterpreis:
776 € ÷ 200 = 3,88 €/m³
Hier läge die Steigerung bei rund 20 Prozent.
Fazit: Das Modell hätte die Fixkosten gut abgefedert, führte jedoch zu massiven sozialen Schieflagen – weshalb es politisch auf wenig Gegenliebe stieß.

Modell 2: 6 Euro Grundgebühr
Wesentlich ausgewogener wirkt das zweite Modell:
- Grundgebühr: 6 Euro pro Monat (72 Euro/Jahr)
- Arbeitspreis: 4,10 Euro/m³
Beispiel 1: Haushalt mit 25 m³/Jahr
- Arbeitspreis: 25 × 4,10 € = 102,50 €
- Grundgebühr: 72 €
- Gesamt: 174,50 €
- Effektiver Kubikmeterpreis:
174,50 € ÷ 25 = 6,98 €/m³
Das entspricht einer Steigerung gegenüber heute von rund 117 Prozent, aber deutlich weniger als im 11-Euro-Modell.
Beispiel 2: Haushalt mit 200 m³/Jahr
- Arbeitspreis: 200 × 4,10 € = 820 €
- Grundgebühr: 72 €
- Gesamt: 892 €
- Effektiver Kubikmeterpreis:
892 € ÷ 200 = 4,46 €/m³
Hier liegt die Steigerung bei rund 39 Prozent.
Die extreme Spreizung zwischen sehr geringen und sehr hohen Verbräuchen wird deutlich reduziert. Dieses Modell fand deshalb breite Zustimmung.
Modell 3: Reiner Mengenpreis – weiter wie bisher
Das dritte Modell verzichtet vollständig auf eine Grundgebühr. Der Preis würde von heute 3,22 €/m³ auf etwa 5,10 €/m³ steigen.
Beispiel 1: Haushalt mit 25 m³/Jahr
- Bisher: 25 × 3,22 € = 80,50 €
- Künftig: 25 × 5,10 € = 127,50 €
- Steigerung: rund 58 Prozent
Beispiel 2: Haushalt mit 200 m³/Jahr
- Bisher: 200 × 3,22 € = 644 €
- Künftig: 200 × 5,10 € = 1.020 €
- Steigerung: ebenfalls 58 Prozent
Das Modell belastet alle Haushalte linear, trifft aber insbesondere Familien und größere Haushalte hart. Zugleich bleibt das System anfällig, weil alle Fixkosten über den Verbrauch getragen werden müssten.
Während Modell 1 und Modell 2 als Dreijahresmodelle geplant sind – gültig von 2026 bis 2028 –, ist Modell 3 ausdrücklich als Übergangsregelung für das Jahr 2026 gedacht. Die Verbandsversammlung würde damit ein Jahr Zeit gewinnen, um ein dauerhaft tragfähiges, ausgewogenes Gebührenmodell zu entwickeln, das Grundgebühr und Mengenpreis sinnvoll kombiniert und soziale wie ökologische Kriterien berücksichtigt.
Eine Frage der Balance
Die Debatte über die Abwassergebühren ist mehr als eine technische Neuberechnung. Sie berührt Grundfragen kommunaler Daseinsvorsorge: Wie verteilt man Fixkosten gerecht? Wie hält man die Infrastruktur leistungsfähig? Und wie verhindert man extreme Ausschläge für einzelne Haushalte?
Für die Mitglieder der BfW/FDP-Fraktion im Wernigeröder Stadtrat ist klar: „Eine Grundgebühr kann sinnvoll sein, wenn sie maßvoll ausgestaltet wird. Sie bildet den Fixkostenanteil ab und stabilisiert das System. Entscheidend ist, dass sie die Bürgerinnen und Bürger nicht überfordert“, so der Fraktionsvorsitzende.
Aus dieser Perspektive böte das Gebührenmodell mit 6 Euro Grundgebühr und 4,10 Euro Arbeitspreis derzeit den ausgewogenste Ansatz.
